Dialogizität und Hermeneutik. Gadamer, Jauß, Bachtin

Abstract

Anhand des Begriffs Dialogizität, Dialogismus wird die Frage der Beziehungen zwischen Bachtin und denjenigen Vertretern der neueren philosophischen und literarischen Hermeneutik gestellt, bei denen das dialogische Prinzip besonders hervorgehoben wird. Ausgehend von einigen gemeinsamen geistesgeschichtlichen Positionen und verwandten zentralen Problemstellungen treten gewissen Parallelen und Differenzen hervor. Die neuere Hermeneutik teilt mit Bachtin die Ansichten über die radikale Geschichtlichkeit und Sprachlichkeit der menschlichen Erfahrung, über den Wahrheitsanspruch der Kunst, über die Untrennbarkeit des Subjekts und des Verstehens vom Text und über die Unmöglichkeit des wissenschaftlichen Objektivismus in den Geisteswissenschaften. Sie gehen jedoch auseinander hinsichtlich der ontologischen oder sozialen Dimension der menschlichen Existenz, hinsichtlich der autoritären oder kritisch-emanzipatorischen Funktion der Überlieferung und ihrer Erkenntnis und hinsichtlich der Rolle der Horizontverschmelzung oder Horizontabhebung (bzw. Bewahrung der Alterität) im Zuge des Verstehens und Auslegens. In diesem Vergleich erscheint Bachtin als ein selbständiger Weggenosse der neueren Hermeneutik.