deutsche Literatur, Goethe, Johann Wolfgang von, Rezeption bei den Slowenen
Abstract
Die Rezeption von Goethes Faust bei den Slowenen – von der ersten veröffentlichen Übersetzung des ersten Teiles im Jahre 1908 bis zur Gesamtübersetzung im Jahre 1999 – weist einige standardmäßige, aber auch einige spezifische Beobachtungen und Betrachtungsweisen auf. Allgemeinbekannte Feststellungen begleiten den ersten Problemkreis des Dramas – Fausts Streben nach absoluter Erkenntnis – meist in Verbindung mit den zugrundeliegenden historischen Motiven des Helden und der Entstehung des Dramas. Eine historische Deutung ist auch sonst charakteristisch für alle slowenischen Interpretationen und kommt in unterschiedlichem Maße auch beim Versuch des Verstehens der beiden anderen Problemkreise in diesem Werk Goethes vor. Im Trachten des Helden nach einem erfahrungsreichen, möglichst intensiven Leben mit Betonung auf den beiden erotischen Episoden, derjenigen in der Heimat mit Gretchen und der in der Antike mit Helena, liegt schon aufgrund der Thematik selbst die Forderung nach einer zeitlich bedingten, aber auch nach einer nicht zeitbezogenen, d. h. zeitgenössischen Deutung begründet. Und unsere Interpreten entdeckten bei Fausts Liebesverlangen, seinem zentralen sinnlich-emotionalen Wollen, das im Drama in einen breiteren Kontext eingebettet ist, vornehmlich, wenn nicht ausschließlich eine ethische Dimension, allen voran B. Vodušek. Doch vermochten oder trauten sie sich wiederum nicht, bis an den religiösen Schluss des Dramas vorzudringen, in dem Gretchens Liebesgeschichte mit Faust im Sinne der kirchlichen, der mittelalterlichen christlichen Gläubigkeit und mit der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode gelöst wird. Der dritte Problemkreis -–Fausts Streben nach Macht und sein Eingriff in die Politik – wurde von der slowenischen Rezeption aus der ihr eigenen Perspektive verstanden und entsprechend gedeutet, auch vom ethisch-moralischen Standpunkt aus. Gleichzeitig wurde darin der sozialistische Kollektivismus entdeckt, eine Idee aus der kommunistischen Ära unserer Zeitgeschichte (J. Vidmar). Chronologisch gesehen herrschte im Verständnis des Faust und in dessen Deutung zunehmend der zeitgenössische Gesichtspunkt vor, insbesondere bei den neuesten Interpreten (A. Janko). Am radikalsten kam der metahistorische Deutungsaspekt in Vidmar‘s ästhetischer Kritik des Dramas zum Ausdruck. – Die slowenische Rezeption von Goethes Faust ist im Vergleich zu anderen, auch nichtdeutschen Kulturkreisen quantitativ zwar bescheiden, doch hat sie in inhaltlicher Hinsicht alle wesentlichen Aussagen des berühmten Werkes vernommen und sie überzeugend, in einigen Abstufungen sogar auf ihre ganz besondere Art definiert.