»Kinderbiedermeier« in Slowenien
Abstract
Das »Kinderbiedermeier« setzte sich in Slowenien durch die Rezeption des von Christoph Schmid entwickelten literarischen Modells für Kinder durch. Dieses verwirklicht die beiden nach Friedrich Sengle für das »Kinderbiedermeier « konstituierenden Tendenzen: das Schreiben für eine bestimmte Zielgruppe sowie die Tendenz nach der Übernahme literarischer Muster aus dem 18. Jahrhundert, jedoch in der desäkularisierten Form. – Das Schmidsche Modell übertrug das »Kinderbiedermeier« in die slowenische Literatur zunächst in der Kategorie der Kurzgeschichte mit dem Kinderhelden. Diese wurde zum schöpferischen Impuls für die originelle Prosaproduktion für Kinder erst in der ersten slowenischen Jugendzeitschrift Vedež (1848–1850), wenngleich die ersten Beispiele dieser Matrix in Slowenien dank erbaulicher Tätigkeit des Bischofs und Volkserziehers Anton M. Slomšek (1800–1862) schon in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre zu finden sind, und zwar in den Übersetzungen der beiden Teile von Schmids Lesebuch Lehrreiche kleine Erzählungen für Kinder, die im Slowenischen als Prijétne pripovedi za otrôke (1832) und Kratkočasne právlice otrokam v’ podvučenje (1835) betitelt wurden. Slowenische povestice, wie die Zeitschrift Vedež den Schmidschen Termin »lehrreiche kleine Erzählung« übersetzt, erschienen parallel zur zweiten Welle der in der Zeitschrift veröffentlichten neuen Übersetzungen. Die slowenischen Texte folgen sowohl in typologischer, morphologischer als auch motivisch-thematischer Hinsicht der Schmidschen Rezeption des deutschen Aufklärungsmodells. Gleichzeitig übernehmen sie genauso treu auch die typischen Biedermeierelemente der Schmidschen Matrix: so wird in den slowenischen lehrreichen kleinen Erzählungen für Kinder neben der traditionellen aufklärerischen moraldidaktischen Funktion der Texte im Schmidschen Geist die Glaubenslehre hervorgehoben und zugleich die Vorliebe für die Sentimentalität, Idylle und Häufung von Diminutiven als Tribut an den damals modernen biedermeierischen »Kinderton« im Stil bezeugt. – Charakteristischerweise zeigen sich Elemente der Sentimentalität, Idylle und diminutive Formen vor allem in slowenischer Variante der erweiterten »lehrreichen kleinen Erzählung«: diese ist im Ausdruck ambitiöser und in Handlung entwickelter als jene Variante, die der Schmidschen Matrix treu ist; in den Beispielen narrativ erweiterten Schmidschen Modells entfaltet sich eine eigenständigere Autorenhaltung slowenischer Schöpfer bei der Übernahme typischer Elemente des »Kinderbiedermeiers«. – Die slowenische Kurzgeschichte für Kinder blieb der Schmidschen biedermeierischen desäkularisierten Variante des aufklärerischen Modells treu durch das ganze 19. Jahrhundert und noch danach.References
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